Lutherkirche

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Unsere Lutherkirche | Entstehung

Nach der Zeit des Silberbergbaus im Erzgebirge Ende des 15. Jahrhunderts erlebte Zwickau im 19. Jahrhundert eine zweite große Blütezeit durch den Steinkohlebergbau. Die damit einhergehende Industrialisierung verhalf der Stadt zu einem enormen wirtschaftlichen Aufschwung, der ein rasches Wachstum der Bevölkerung mit sich brachte. So stieg die Zahl der Einwohner im Zeitraum zwischen 1840 und 1900 von rund 10 000 auf über 55 000 an. Dies hatte eine Ansiedlung vieler Menschen in den Zwickauer Vororten zur Folge - so auch in der Bahnhofsvorstadt. Dort war 1894 die erste sächsische Straßenbahn in Betrieb genommen worden, die zunächst vom Hauptbahnhof zum Hauptmarkt, später auch nach Schedewitz, Marienthal, Wilkau und nach Pölbitz fuhr.

Auf Grund der wachsenden Bevölkerungszahl beschlossen die Vorstände der Marien- und Katharinengemeinde, aus den beiden Bezirken ihrer Gemeinden vom 1. Januar 1893 an drei Kirchgemeinden zu bilden: Marien, Katharinen und Luther.

Zum Preis von 72 000 Mark erwarb der neu gebildete Kirchenvorstand der Luthergemeinde den zwischen der heutigen Luther- und Brunnenstraße gelegenen Fischer'schen Platz und faßte 1894 den Beschluß, eine Kirche darauf zu bauen. Namensgeber für die Kirche wurde - wie zuvor schon für die Gemeinde - der Reformator Martin Luther (1483-1546).

Ein Architektenwettbewerb wurde ausgeschrieben, an dem sich sechs der bedeutendsten deutschen Kirchenbaumeister beteiligten. Die Preisrichter - unter ihnen Baurat Oskar Mothes und der Erbauer des Berliner Reichstagsgebäudes, Paul Wallot - entschieden sich 1897 für den Entwurf der Dresdner Architekten Rudolf Schilling und Julius Gräbner. Mit der Errichtung der Kirche betraute man den Zwickauer Baumeister Franz Wolf. Die Kosten für den Bau beliefen sich auf rund 600 000 Mark. Nach der Grundsteinlegung am 20. August 1902 unter der heutigen Kanzel feierte die Gemeinde am 7. November 1903 das Richtfest, und am 29. Januar 1906 wurde die Kirche feierlich eingeweiht.

Unsere Lutherkirche | Äußerer Kirchenbau

Die Zwickauer Lutherkirche ist eine aus Ziegeln erbaute Saalkirche, außen und innen mit Sandstein verkleidet. Dem asymmetrischen Grundriß entsprechend erheben sich im Nordwesten der mächtige oktogonale Kirchturm mit Kupferhelm und auf der Südseite der deutlich niedrigere Treppenturm. Das dazwischen liegende Kirchenschiff wird durch einen dreiseitigen Chorraum abgeschlossen. Eine Stahlträgerkonstruktion trägt das Dach der Kirche. Obwohl zunächst im Stil der Neorenaissance geplant, wurde das Bauwerk schließlich im Jugendstil errichtet - eine von 1896 bis hin zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs sich erstreckende Stilepoche, die sich mit ihrer flächenbetonten Ornamentik und stilisierten Naturformen bewußt vom Historismus des 19. Jahrhunderts absetzte. Durch ihre außen wie innen architektonisch-künstlerische Geschlossenheit erfüllt die mit sämtlichen Elementen im Jugendstil vollendete Kirche den damals erhobenen Anspruch, ein Gesamtkunstwerk zu sein.

Geht man um die Kirche herum, so finden sich an vielen Stellen steinernes Blatt- und Rankwerk, gemeißelte Tierfiguren und biblische Inschriften. Von der südlichen bis zur nördlichen Wand des Kirchenschiffs zieht sich ein steinernes Spruchband über die Mauern des Chorraums: "Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll!" (Jesaja 6,3) Das von einer steinernen Girlande umgebene Turmportal zeigt über der Tür ein Medaillon mit der Taufe Jesu im Jordan (Matthäus 3,13-17) und im Schlußstein das dornengekrönte Haupt Christi, geschaffen vom Zwickauer Bildhauer Johann Brod. Vom selben Künstler stammen auch die reliefartigen Evangelistensymbole (nach Hesekiel 1) am Untergeschoß des Turmes. Von links nach rechts zeigen sie einen geflügelten Stier, stellvertretend für den Evangelisten Lukas (als Zeichen für die sein Evangelium erfüllende Opfergesinnung); einen Adler, der den Evangelisten Johannes symbolisiert (als Ausdruck für den Himmelsflug der Gedanken des Evangelisten); einen Engel (der die Menschwerdung Christi verkündete), seit altersher dem Evangelisten Matthäus zugeordnet; und schließlich einen geflügelten Löwen, Symbol für den Evangelisten Markus (als Zeichen für die Kraft seiner Auferstehungsverkündigung). Über dem Turmumgang befinden sich die vier Evangelisten als Vollfiguren, gefertigt von der Firma Zehme & Pietsch nach einem Modell des Bildhauers Friedrich Offermann.

Am Seiteneingang auf der Nordseite ist ein Adlerrelief zu sehen mit der Inschrift: "Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler" (Jesaja 40,31). Der südöstliche Seiteneingang zeigt einen Hirsch, daneben die Worte: "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir" (Psalm 42,2). Und an der Mauer des südwestlichen Seiteneingangs befindet sich das Relief eines Löwen mit dem Vers: "Siehe, es hat überwunden der Löwe, der da ist vom Geschlechte Juda" (Offenbarung 5,5).

Über dem Hauptportal stehen die vom Dresdner Bildhauer Martin Engelke geschaffenen überlebensgroßen Statuen des Apostels Paulus (mit dem Schwert) und Martin Luthers (mit der Bibel). Dazwischen befindet sich ein von Steinmetz Gustav Walther gefertigtes breites Relief, das Luther zeigt, wie er vom Balkon des Zwickauer Rathauses zu rund 14 000 Menschen spricht. Auf Einladung des Rates der Stadt weilte der Reformator vom 28. April bis 3. Mai 1522 in Zwickau. In dieser Zeit war Luther persönlicher Gast seines Freundes Hermann Mühlpfort, des damaligen Bürgermeisters, dem er bereits 1520 die deutsche Ausgabe seiner bis heute wichtigsten Reformationsschrift Von der Freiheit eines Christenmenschen gewidmet hatte. Während seines Aufenthalts in Zwickau hielt Luther vier Predigten, in denen er sich scharf gegen die Wiedertäuferbewegung sowie gegen die Auffassungen Thomas Müntzers wandte, der als Prediger an der Katharinenkirche die Wiedertäufer verteidigte.

Unter dem Relief sind die Worte zu lesen, die Luther 1521 auf dem Reichstag zu Worms ausrief, als er vor Kaiser und Reich seine geäußerte Kritik an den Mißständen der Kirche verteidigte: "Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen." Zwei Medaillons über dem Eingang zeigen links einen Sämann (Matthäus 13,3-23) und rechts den guten Hirten (Johannes 10), dazwischen befindet sich die Figur des Erzengels Michael mit dem Schwert (Offenbarung 12,7-12). Die Länge der Kirche beträgt 44 Meter, die Breite 30 Meter. Der Turm mißt einschließlich des sechs Meter hohen Kreuzes 65 Meter; der Turmumgang befindet sich in 35 Meter Höhe.

Unsere Lutherkirche | Innerer Kirchenbau

Das Innere des Kirchenbaus ist betont schlicht gehalten, jedoch ausgewogen proportioniert. Die Tonnendecke des Mittelschiffs ist mit Stuckornamenten verziert; die seitenschiffartigen Erweiterungen sind zum Mittelschiff durch flache Arkadenbögen geöffnet. Auf der Nordseite befindet sich eine große Empore. Sie bot bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs auch den Soldaten der in der nahegelegenen Kaserne stationierten Garnison Platz. Heutzutage wird die Kirche dagegen mehr und mehr von der Jugend in Anspruch genommen. So beherbergt der Kirchenbau in seinen Räumen Gruppen der offenen Jugendarbeit und andere diakonische Einrichtungen.

Neben den Gemeindegottesdiensten finden in der Kirche regelmäßig Schulgottesdienste sowie Gottesdienste für Jugendliche aus ganz Zwickau und Umgebung statt. Zum Zwecke vielfältiger Nutzung wurden unter den nördlichen Arkaden mehrere quaderförmige Räume integriert. Das Innere der Kirche bietet rund 1000 Besuchern Platz. Da im Mittelschiff keine tragenden Säulen den Blick auf Altar und Kanzel verstellen, ist die Kirche sowohl aus akustischen als auch aus architektonischen Gründen bestens für Konzerte geeignet.

Unsere Lutherkirche | Altargemälde

Zentraler Blickfang im Innenraum der Kirche ist das monumentale Altargemälde des in Wolkenburg geborenen Malers Fritz von Uhde (1848-1911) - einer der ersten deutschen Impressionisten und einer der bedeutendsten Vertreter der religiösen Malerei. In einem Brief an den damaligen Kirchenvorstand drückte der in Zwickau zur Schule gegangene Künstler seine besondere Freude darüber aus, "dass gerade in Zwickau, an das mich so viele Erinnerungen binden, das erste Altarbild von mir aufgestellt ist ..." Es ist leider Uhdes einziges Bild geblieben, das er für eine Kirche gemalt hat.

Aus heutiger Sicht mutet es zunächst überraschend an, daß die künstlerische Bedeutung des Bildes seinerzeit äußerst umstritten war: Als "Ausbund realistischer Hässlichkeit" wurde die Art und Weise bezeichnet, wie der Maler den Gottessohn als einfach gekleideten Mann inmitten von Menschen der heutigen Zeit darstellt. Dies widersprach zutiefst dem Jesusbild des Bürgertums im 19. Jahrhundert, wonach Christus meist als lieblicher sanftmütiger Heiland gezeichnet wurde, der keinerlei strenge Charakterzüge mehr besitzt.

Angesichts einer solch romantisch-idealistischen Anschauung wurde die sehr viel realistischere Jesus-Darstellung Uhdes von vielen seiner Zeitgenossen als anstößig empfunden. Dem Gemälde liegen die Worte zugrunde: "Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen" (Matthäus 4,16). Das Altarbild zeigt, wie Jesus einen Kellerraum betritt und die sich dort aufhaltenden Menschen segnend umwirbt, in das Licht der Sonne und der Freiheit hinauszutreten. Der Maler hat auf seinem Bild drei Gruppen von Menschen dargestellt: die erleuchteten, dann die, denen es bereits dämmert, und schließlich diejenigen, die noch in der Finsternis sitzen. Unter den Frauen der ersten Gruppe hat der Maler zwei seiner Töchter verewigt: die Malerin Anna von Uhde, die stehend dem Heiland ins Gesicht sieht, und die halb von der im Vordergrund sitzenden Frau verdeckte Amelie Pflügel, die als Beterin dargestellt ist.

Der sandsteinerne, mit Ähren versehene Altaraufbau, die Kanzel und der Taufstein stammen aus der Werkstatt Gustav Walthers. Über den Durchgängen links und rechts neben dem Altar ist zu lesen: "Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden" (Matthäus 5,6) und "Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken" (Matthäus 11,28)

Die rechterhand des Altarensembles sich befindende Kanzel wird von drei Reliefs des Künstlers Hans Hartmann-Maclean verziert, welche die christlichen Hauptfeste zum Inhalt haben: Weihnachten (Christi Geburt), Ostern (Christi Auferstehung) und Pfingsten (Ausgießung des Heiligen Geistes). Die Säulen zwischen den Reliefs sind mit Engeln versehen. Im Jahre 1927 erhielt die Kanzel einen Schalldeckel, in den eine Taube als Symbol des Heiligen Geistes eingearbeitet ist.

Auf der linken Seite steht der Taufstein, ein mit Spruch-bändern und Engeln verzierter runder Sandsteinblock, in den ein kupfernes Taufbecken eingelassen ist. Der Taufstein trägt die Inschriften: "Ihr sollt mit dem Heiligen Geiste getauft werden" (Apostelgeschichte 1,5) und "Der da glaubet und getauft wird, der wird selig werden" (Markus 16,16). Der kupferne Deckel ist mit der zur Umkehr rufenden Figur Johannes des Täufers gekrönt. Becken, Deckel und die zum Taufstein gehörende Taufkanne schuf Karl Beyer aus Zwickau.

Von den Firmen Rößler, Hofmann, Gebrüder Liebert und Bruno Urban stammen die dreibahnigen Buntglasfenster raum. Das linke Fenster zeigt die Kreuzigung Jesu, auf der Fenster ist Christus als Weltenherrscher dargestellt.

Unsere Lutherkirche | Glocken und Orgel

Die drei Glocken im Turm der Lutherkirche wurden von der Firma Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation 1904 fertiggestellt. Im Jahre 1963 wurde die Läuteanlage von der Dresdner Firma Otto Reichenbach erneuert.

Bei vollem Geläut erklingt ein verminderter Dreiklang in den Tönen gis-h-d.Alle drei Glocken sind mit Inschriften versehen, deren Worte den Liedern Martin Luthers entstammen. Die große Glocke kündet die Glaubensgewißheit. Das Reich muss uns doch bleiben (aus: Ein feste Burg ist unser Gott, EG 362).

Die Glocke hat einen Durchmesser von 2,10 Meter, eine Höhe von 1,75 Meter und ein Gewicht von 3900 Kilogramm (ohne Klöppel). Lehr uns nicht Meister suchen mehr denn Jesum Christ mit rechtem Glauben (aus: Komm, Heiliger Geist Herre Gott, EG 125) mahnt die mittlere Glocke. Sie ist 2250 Kilogramm schwer; ihr Durchmesser beträgt 1,80 Meter und die Höhe 1,45 Meter. Die kleine Glocke ist 1,15 Meter hoch, misst 1,50 Meter im Durchmesser und wiegt 1350 Kilogramm. Sie trägt als Inschrift die Bitte Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort (EG 193).

Die große Orgel über dem Hauptportal wurde im Jahre 1906 von der Dresdner Orgelbaufirma Jehmlich erbaut. 52 klingende Stimmen verteilen sich auf drei Manuale und Pedal. Durch den hohen Anteil expressiver Register (die teilweise nicht mehr vorhanden und deshalb dringend ersetzt werden müssten) eignet sich das Instrument besonders zum Vortrag spätromantischer Orgelmusik, z. B. von Max Reger.

Die Pfeifen des Orgelprospektes ersetzte man 1929, nachdem die ursprünglichen Zinnpfeifen im ersten Weltkrieg zum Einschmelzen abgegeben werden mußten. Nach der Kirchenrenovierung 1971 wurde die Orgel, dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend, in einigen Klangbereichen umdisponiert.

Trotz alledem blieb die grundlegende Klangsubstanz weitestgehend erhalten. In den letzten Jahren machten sich dennoch viele Störungen bemerkbar, vor allem im spieltechnischen Bereich, so dass sich die Kirchgemeinde entschloss, die Orgel grundlegend zu reparieren und zu rekonstruieren, handelt es sich doch bei dieser Orgel um ein fast im Originalzustand erhaltenes Klangdokument eines großen symphonischen Instrumentes der Jahrhundertwende, von denen so nur noch wenige in Sachsen erhalten sind.

Mit diesen Maßnahmen ist die Firma Christian Reinhold, Bernsdorf bei Lichtenstein (Erzgebirge), betraut. Den Orgelprospekt schmücken vergoldete Engel. Mit ihren drei Manualen, 52 Registern und mehr als 3700 Pfeifen eignet sich die Orgel der Lutherkirche besonders zum Vortrag romantischer Orgelwerke.